China – Sun Yat Sen

Dr. Sun Yat Sen – Sun Zhongshan

Sun Yat Sen (andere Schreibweise: Sun Zhongshan) gilt nach der Meinung vieler Historiker neben Mao Tse-tung als der bedeutendste chinesische Politiker der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dabei liegt die Bedeutung Suns weniger in seinem praktischen Wirken als Fakten schaffender Staatsmann als in seiner Wirkung als Theoretiker grundlegender philosophisch-politischer Prinzipien.

Sowohl in der Volksrepublik China als auch in der territorial fast ausschließlich auf das Gebiet der Insel Taiwan begrenzten Republik China genießt Sun Yat Sen als politischer Gründungsvater große offizielle Verehrung, wobei er häufig den unterschiedlichen ideologischen Ausrichtungen der Regierungen in Peking und Taipeh entsprechend zur Legitimation des eigenen Kurses instrumentalisiert wird.

 

Die frühen Jahre

Sun wurde nach überwiegend herrschender Meinung als Sun Wen am 12. November 1866 im Weiler Choyhung (andere Schreibweise: Cuiheng) in der Nähe der südchinesischen Metropole Kanton als dritter Sohn eines Kleinbauern und Schneiders geboren. Der später allgemein gängige Name „Sun Yat Sen“ steht im Zusammenhang mit Suns christlicher Taufe. Sun verbrachte seine Kindheit auf dem Hof seines Vaters. Mit 13 Jahren holte ihn sein, durch Handel auf Hawaii wohlhabend gewordener Bruder Sun Mei nach Honolulu. Hier besuchte er ab 1879 für drei Jahre die von anglikanischen Geistlichen geführte „Iolani School“. Danach studierte Sun 1883 ein Semester lang am ebenfalls christlichen „Oahu College“.

Im selben Jahr schickte ihn Sun Mei nach China in sein Dorf zurück. Der jugendliche Sun soll aus Protest gegen das ihm fremd gewordene traditionelle chinesische Gesellschaftssystem den Tempel eines Lokalheiligen verwüstet haben. Daraufhin hielt sein Vater es für besser, ihn aus dem Dorf zu entfernen und in Hongkong weiter bis 1886 zur Schule gehen zu lassen.

Sun wollte nach dem Schulabschluss Arzt werden. Nach praktischer Ausbildung am Presbyterianer-Krankenhaus „Guangzhou Boji Hospital“ und nach dem Hochschulstudium am „Hong Kong College of Medicine for Chinese“ (seit 1910: „Hong Kong University“) bestand Sun 1892 sein Mediziner-Examen und ließ sich in Hongkong als Arzt nieder. Spätestens in dieser Zeit ist er offiziell zum Christentum übergetreten.

Suns politischer Werdegang

Suns politische Einstellungen waren stark von der von vielen chinesischen Intellektuellen als unerträglich empfundenen Dauerkrise des chinesischen Kaiserreichs geprägt. Die die Mehrheit der chinesischen Bevölkerung bildenden Han-Chinesen, zu denen auch Sun gehörte, empfanden die seit immerhin 250 Jahren regierende, ursprünglich nichtchinesische, Mandschu-Dynastie der Tsching (Qing) als Fremdherrschaft. Diese Animosität wurde von der desaströsen politischen Bilanz der Dynastie verstärkt. Misswirtschaft, allgemeine Verarmung und Unterdrückung, fehlendes Katastrophenmanagement in dem regelmäßig von Hungersnöten und Naturkatastrophen heimgesuchten Riesenreich, ausufernde Korruption und falsche oder halbherzige, an konservativ-konfuzianischen Denkmustern scheiternde Reformansätze bedrohten zunehmend den Bestand des Gesellschaftssystems.

Dazu kam die Negativentwicklung in der Konfrontation mit den kolonialistischen europäischen Mächten, den wirtschafts-expansionistischen USA sowie dem China als ostasiatische Hegemonialmacht ablösenden Japan. Die einstige Großmacht China sank nach militärischen Misserfolgen wie im Krieg gegen Japan 1894/95 oder beim Boxer-Aufstand (1899-1901) auf den Status einer Halbkolonie herab. Lediglich durch das Interesse der USA an einem ihrer Wirtschaft nutzenden „Offenen Markt“ in China war die endgültige Zerschlagung des Kaiserreiches verhindert worden. Zahlreiche isolierte Bauernaufstände oder zum Teil vorübergehend erfolgreiche Rebellionen regionaler Armeekommandeure hatten die Situation zudem weiter destabilisiert.

In den 1890er Jahren profilierte sich Sun als der einflussreichste Vertreter einer Anzahl von revolutionären Denkern, die China in die Moderne führen wollten. Suns Revolutionsideologie, in die westliche Vorstellungen einflossen, wurde unter den Unzufriedenen Chinas überaus populär. Sun propagierte den Aufbau eines neuen Staats nach den Grundsätzen von Demokratie, Nationalismus und Sozialismus. Nach dem Sturz der Mandschu-Monarchie sollte zunächst eine dreijährige Übergangsphase mit militärisch-autokratischer Staatsspitze für Stabilität sorgen. Eine dann folgende, auf einer provisorischen Verfassung basierende, zivile Übergangsregierung von Fachleuten würde nach sechs Jahren Arbeit schließlich von der parlamentarische Demokratie abgelöst werden. China sollte gleichzeitig seine nationale Selbstbestimmung wieder erkämpfen und ein auf das „Volkswohl“ ausgerichtetes Sozialismus-Modell umsetzen, bei dem die Abgabe des Wohlstandsüberschusses an den Staat sowie eine vom Millionenheer der Kleinbauern ersehnte Landreform zentrale Elemente darstellten.

Dieses ab 1905 im Wesentlichen ausgeformte Programm wurde endgültig 1912 als die „Drei Volksprinzipien“ formuliert. Daneben entwickelte Sun ein „Fünf Yuan“ genanntes System der politischen Gewaltenteilung für einen künftigen Staat.

Jahre im Exil

Sun, der bereits 1894 auf Hawaii und in Japan kleine revolutionäre Organisationen aufgebaut hatte nahm 1895 an einem erfolglosen Aufstand in Kanton teil. Die Regierung setzte ein Kopfgeld auf ihn aus und Sun musste die nächsten Jahre im Exil verbringen. Unter anderem hielt er sich in Japan auf, wo er 1905 die Vorgängerorganisation der KMT (Kuomintang) gründete. In Japan heiratete er 1901 die erst 14jährige Kaoru Otsuki, obwohl er bereits seit 1885 mit Lu Muzhen verehelicht war.

Nach dem erfolgreichen Sturz der Mandschu-Dynastie durch die vom Wuchang-Aufstand 1911 ausgelöste Revolution kehrte Sun Yat Sen nach China zurück und wurde im Dezember 1911 Übergangspräsident der provisorischen Republik. Am 12. August 1912 gründete er zusammen mit anderen Aktivisten wie dem Militär Tschiang Kai-schek (Chiang kai-shek) die Nationale Volkspartei (Kuomintang). Bereits ein Jahr später musste Sun erneut nach Japan fliehen, weil der starke Mann Chinas, Marschall Yuan Shikai, die Macht an sich gerissen hatte.

Familie

Im Exil heiratete er 1915 nach der Scheidung von Lu Muzhen die 23jährige Song Qingling (Sung Tsching Ling), eine der drei wegen ihrer Heiraten berühmten Song-Schwestern. Die beiden anderen Song-Schwestern waren die Ehefrauen von Chiang Kai-schek beziehungsweise des damals reichsten Manns Chinas, des Bankiers und späteren Politikers H. H. Kung.

Nach dem Tod Yuans kehrte Sun 1917 in seine größtenteils unter Warlords aufgeteilte Heimat zurück. Der KMT und ihm gelang der Aufbau einer zumindest in Südchina relativ stabilen Zentralmacht. 1921 wurde Sun Präsident der Regierung. Aufgerieben von parteiinternen Machtkämpfen, vom permanenten Bürgerkriegszustand im Land und von Krankheit starb Sun am 12. März 1925 an Krebs.